16 May 2009

Weit weg : By Eva Maria Teja Mayer







46 zuhause/weit weg
30. Oktober 2005, Bagh, JKRC -Camp
8 Uhr früh. Flöhe heute Nacht besonders
lästig! Aber die Decken in Dr. Toqirs
Zelt wenigstens WARM!! Nur mein
alter Schlafsack – Brrr ... Dass wir wegen
Wasserknappheit und Kälte alle ungewaschen
herumlaufen und in voller Montur
schlafen, fällt da nicht ins Gewicht …
Frühstück: Wasser und Trockenfrüchte,
Weit weg

Eva Maria Teja Mayer

Am 8. Oktober 2005 erschütterte ein schweres Beben die Himalaya-Region Kaschmir. Am stärksten betroffen waren der gebirgige Nordosten Pakistans und „Azad
Jammu & Kashmir“ (AJK), das von Pakistan kontrolliertwird.
Opferbilanz der Katastrophe: ca. 90 000 Tote, 4 Millionen
Obdachlose, traumatisierte Überlebende. Der
Wiederaufbau wird Jahre dauern. Erste Hilfe nach dem
Beben leisteten auch islamische Mudschahidin-Gruppen
(„Kämpfer für die gerechte Sache“, im Westen meist
als Terroristen eingestuft), die im indisch kontrollierten Teil
Kaschmirs einen Befreiungskrieg gegen die Besatzungstruppen
führen. Nach dem Motto „Auch Hilfe für Erdbebenopfer
ist Dschihad – ‚heiliger Krieg’“ schleppten
sie Nahrung, Zelte und Medikamente in abgeschnittene
Bergdörfer, wie die Autorin, Gast im Lager des Jammu-
Kaschmir-Hilfs-Komitees (ehrenamtlicher Leiter der
kaschmirische Tierarzt Dr. Toqir), als „Nachbarin“ der Mudschahidin
beobachtete.
versteckt im Zelt, um im Ramadan muslimische
Fastengefühle nicht zu verletzen
... Hab vor die Zelttür geschaut: Turnschuhe
zum Glück vorhanden, diesmal
nicht von irgendwem „kurz ausgeliehen“.
Ein Blick zum Lagereingang: Bebenopfer
warten auf Hilfspakete, zwei Frauen werden
vorgelassen, die Männer nehmen’s
gelassen. Pro Paket: Mehl, Reis, Zucker,
Linsen, Öl, Tee, Haltbarmilch, Knoblauch,
Zwiebeln, Kerzen, Zünder.
Bin gespannt, wie das heute wird mit
„meinem“ geschnorrten US-Army-Zelt,
das ich gestern der irischen NGO-Lady
von „GOAL“ abgebettelt hab. 1a-Qualität,
beheizbar, 6x6 m, Platz für 40 Kinder im
Schneidersitz. Beschissen genug, dass
beim Beben fast alle Schulen wegen billigster
Bauweise und minderwertigen
Materials über den Kindern zusammengestürzt
sind. Für die überlebenden Kinder
ist nun Unterricht in Schulzelten das
Beste: ein Hauch von Normalität.
Nachtrag zu gestern Abend: gemeinsames
Lagerfeuer mit dem Nachbarcamp;
entspannte Stimmung. War es klug, Munirs
Einladung auszuschlagen, dort drüben
ein leer stehendes Ein-Mann-Zelt zu
beziehen? Jetzt, da die Mudschahidin
mich offenbar als neutrale, ehrlich interessierte
Beobachterin akzeptiert haben?
Und nicht länger glauben, ich sei eine
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[Ü1]
Bei einer Ausstellung in der Österreichischen Nationalbibliothek
im Sommer 2008 stand auf einer Schautafel, die sich mit dem Thema
„Krieg“ beschäf tigte, folgender Satz:
Kampfhandlungen und das völkerrechtlich sanktionierte Töten werden
stets als unausweichliche Notwendigkeit dargestellt.
Diskutiert über diese Aussage u • nd nennt Beispiele.
• Sammelt Zeitungsartikel, die über Kampfhandlungen berichten
und untersucht, über welche Kriegsschauplätze wie viel berichtet
wird.
Wie ist diese Berichterstattung zu begründen?
[Ü2]

Wer sagt’s?
Menschen sind nicht in der Lage, den Tod abzuschaffen. Aber sie sind ganz
gewiss in der Lage, das gegenseitige Töten abzuschaffen!
a. Abraham Lincoln
b. Johan F. Kennedy
c. Norbert Elias
hoch bezahlte Agentin, die sich als Journalistin
tarnt?
Munir und sein Mudschahidin-Kommandant
haben es gut gemeint, bin ich doch
nicht verwandt mit Toqir, teile aber sein
Zelt (wenn auch nicht den Schlafsack ...).
„Terroristen“? „Freiheitskämpfer“? „Rettende
Engel?“ Für die Bebenopfer sicher
Letzteres ... Ich weiß nun aus eigener
Beobachtung, dass nicht alle Mudschahidin
automatisch Terroristen sind. Eine
Schande, die ignorante Berichterstattung
in westlichen Medien ...
Munir hat eingesehen, dass ich bei
Dr. Toqir bleiben will. Der spricht fließend
Englisch, den kann ich jeden Abend mit
meinen Fragen nerven. Munir war nicht
gekränkt. Zum Dank dafür – und weil er
so offen war beim Interview, das ich mit
ihm gemacht hab, würde ich ihm und seinen
Kameraden am liebsten das Schulzelt
lassen, aber mein sanfter Toqir wird energisch:
„Nein, das machen WIR!“ Wir – die
JKRC und ich, ihr Gast.

31. Oktober, zurück im Camp,
später Abend
Aufbruch 11 Uhr am gestrigen Vormittag.
Das Zelt wurde im klapprigen Wagen verstaut,
wir quetschten uns zu fünft hinterher.
Toqirs Ziel: eine geeignete, zerstörte
Schule mit der richtigen Schüleranzahl
finden, in den Bergen, keine 10 km von
hier entfernt ...
Straße = Schotterpiste, von der Armee
frei geräumt, steile Serpentinen. Gehöfte
liegen verstreut bis hinauf zum Wald. Der
lokale Rechtsanwalt will uns zur „Ganga
Kashmir Academy“ führen, einer kleinen
Privatschule für 6- bis 10-Jährige; er
quetscht sich trotz stattlichen Bauchs zu
uns in den Wagen. Uff. Nach 45 Minuten
Fahrzeit: „Wo ist die Schule??“ „Da oben!“
Also zwischen Büschen und Felsen hinauf
zur Kuppe. Der „normale“ Schulweg?
Ja natürlich, der Bus hält nur unten auf
der Straße …
Ich mache Fotos von der teilweise eingestürzten
Schule. Zwischen Ziegeln und
Verputz liegen Schulbücher und umgeworfene
Sessel. Wir lernen die Lehrerin
Sarah kennen. Sie hat mit zwei Kollegen
viele Kinder mit bloßen Händen aus dem
Norbert Elias (geb. 1897 in Breslau, gest. 1990 in Amsterdam). Elias war Soziologe, Philosoph und Dichter
deutsch-jüdischer Herkunft. In der Emigration nahm er die britische Staatsbürgerschaft an.

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Schutt gegraben. Durch die zum Glück
offen stehende Verandatür haben es die
übrigen Kinder nur leicht verletzt ins
Freie geschafft. Ein Mädchen wurde tot
geborgen.
Unsere Ankunft hat sich herumgesprochen,
Schulkinder laufen uns entgegen.
Der 7-jährige Ikram zeigt mir den Sessel,
auf dem er beim Beben gesessen ist.
Jehangir übersetzt, was der Bub auf Pahari
sagt. „Die Lehrerin hat geschrieen: ‚Alles
raus!’ und wir sind hinausgerannt.“
Das abgeerntete Maisfeld hinter der Schule
ist groß und eben genug. Aber dann ...
Technische Probleme beim Zeltaufstellen,
keine schriftliche Anleitung. Unser
5-köpfiges JKRC-Team scheitert in einem
Chaos aus Leinen, Schlaufen, Metallspießen,
Haken. „Okay, wir sind eben zu
gescheit dafür ...“ Typisch Dr. Toqir. Die
Dorfbewohner grinsen. Wir versprechen,
morgen mit Fachpersonal wiederzukommen
... PEINLICH!!
Auf dem Rückweg hielt uns eine Armee-
Patrouille auf. Der junge, freundliche
Captain Ali führte Buch über benötigte
und bereits ausgefolgte Hilfsgüter. „1
Schulzelt für 40 Schüler“, notierte er
in sein Heft. Ich schaute ihm über die
Schulter: Die „Soll“-Seite war dicht beschrieben,
auf der „Haben“-Seite unser
Schulzelt gerade der 3. Posten …
Zurück in Bagh. Bauchweh-Termin vor
dem Abendessen: der irischen NGO unser
technisches Totalversagen eingestehen.
Fröhliches Gelächter. Brian (ja wirklich:
rothaarig, Sommersprossen und blaugrüne
Augen) wird uns morgen unter
die Arme greifen, mit dem „richtigen“
Werkzeug.
Wieder am loderndem Feuer in unserem
Lager. Ziegeneintopf. Einige Mudschahi-
Eva Maria Teja Mayer war im August 2008 als eine der wenigen westlichen
JournalistInnen im indisch kontrollierten Teil Kaschmirs und beobachtete
den Friedensmarsch nach Muzaffarabad und das brutale Vorgehen indischer
Streitkräfte gegen kaschmirische Demonstranten.
Die Journalistin im Originalton:
Das Imperium schlägt zurück: Delhi reagiert mit äußerster Härte gegen die Unabhängigkeitsbewegung
in Kaschmir.
Seit drei Monaten kommt die krisengeschüttelte Himalajaregion Kaschmir nicht
zur Ruhe: In Jammu, dem vorwiegend von Hindus bewohnten Teil des indischen
Unionsstaates „Jammu & Kaschmir“ (J&K), gehen die von extremistischen Hindu-
Nationalisten aus ganz Indien gegen die muslimische Mehrheit in J&K gerichteten
Proteste weiter (mit Duldung der Zentralregierung in Delhi), die Muslims dagegen
streben die Loslösung von Indien an.
din von drüben gesellen sich hinzu. Morgen
wird es klappen mit dem Zelt! Dann
hab ich was Praktisches geleistet, nicht
nur Reportagen geschrieben. Auch wenn
es „nur“ ein einziges Schulzelt war …
Das Schulzelt der „Ganga Kashmir Academy“
in Koteri Najam Khan diente den Schülern
zwei Winter lang als Ausweichquartier,
nun findet der Unterricht nach Dr. Toqirs
Bericht wieder im renovierten Gebäude
statt.
© Fotolia, David Smith
© Fotos, Eva Maria Teja Mayer
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Dear Friends, AOA,

hope, all of u r fine & in good health!

In the attachment I want 2 forward u in PdF-format 4 pages of an Austrian school-text-book - sorry, it is in German language, but at least, pix u will #understand' ;-) - in which I wrote about earthquake in AJK in 2005, ongoing freedom-struggle (including armed one) and peaceful protests in August 2009 in J&K in Kashmir valley which were crushed down by Indian troops & Kashmir Police by force & curfews.

I think, it is 4 the very first time that Kashmir issue is highlightened in a school-text-book (officially it will be releases in the #Dorner'-Publishing House, Vienna/Austria) within EU, at least it is 1st time within Austria.

Best wishes & regards,

hope 2 see all of u very soon (my flight 2 Delhi is on 17th of May, I will proceed 2 Kashmir valley few days later, comming 2 Pakistan aroung midth of July Inshallah),

Eva Maria Teja

(Vienna/Austria)
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Note : Press for Peace apologies any inconvenience in reading this article.Main reason was to display marvelous research work of Eva Mayer(Director PFP Europe)and her committment for Kashmir cause.Thanks Eva

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